Hawthorne-Effekt
/von Berit GrünbergDie anfängliche Beobachtung in den Hawthorne-Werken, dass allein die Anwesenheit und das Engagement der Forscherinnen und Forscher eine Leistungssteigerung der Arbeiterinnen und Arbeiter bewirkte, führte zur Prägung des Begriffs „Hawthorne-Effekt“. Dieser beschreibt das Phänomen, dass Menschen ihre Verhaltensweisen ändern, wenn sie wissen, dass sie beobachtet werden. Die Studien, die in den 1920er bis 1930er Jahren durchgeführt wurden, zielten darauf ab, die Einflüsse verschiedener Arbeitsbedingungen zu untersuchen. Überraschenderweise führte jede Änderung, positiv wie negativ, zu einer gesteigerten Produktivität. Dies wurde zunächst mit der verbesserten Beleuchtung, später jedoch mit der erhöhten Aufmerksamkeit, die den Arbeiterinnen und Arbeitern zuteilwurde, erklärt.
Psychologische Erklärungsansätze
Psychologinnen und Psychologen erklären den Hawthorne-Effekt durch eine Kombination von wahrgenommener Wertschätzung und dem Gefühl der Wichtigkeit. Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter merken, dass ihnen Aufmerksamkeit geschenkt wird, fühlen sie sich wichtiger und wertgeschätzt. Dies kann eine motivierende Wirkung haben, die zu einer erhöhten Arbeitsleistung führt. Diese Erkenntnisse sind besonders relevant für die Gestaltung von Arbeitsplätzen und die Führung von Teams. Durch regelmäßiges Feedback und Anerkennung können Führungskräfte die Motivation und somit die Produktivität ihrer Teams steigern.
Anwendung und Kritik
In der modernen Arbeitswelt wird der Hawthorne-Effekt oft als Argument für die Gestaltung offener und transparenter Arbeitsumgebungen verwendet, in denen die Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichtbar und anerkannt werden. Kritikerinnen und Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass dieser Effekt auch zu einer oberflächlichen Arbeitsweise führen kann, bei der die Qualität der Arbeit leidet, weil die Beschäftigten vorrangig darauf aus sind, die Erwartungen zu erfüllen, die sie in der Beobachtungssituation wahrnehmen. Außerdem wird diskutiert, ob der Effekt dauerhaft ist oder nur eine kurzfristige Reaktion auf die neue Situation darstellt.
Obwohl die Diskussion um den Hawthorne-Effekt weiterhin andauert, ist er ein fester Bestandteil in der Betriebspsychologie und hat zahlreiche nachfolgende Studien inspiriert. Seine Erkenntnisse werden sowohl in der Theorie als auch in der praktischen Anwendung weiterhin genutzt, um das Verständnis von Arbeitsmotivation und Gruppendynamik zu verbessern.
Quellen:
- Nerdinger, F. W., Blickle, G., Schaper, N. (2018). Arbeits- und Organisationspsychologie. Springer-Verlag.