Frauenselbstständigkeit
Frauenselbstständigkeit ist noch immer unterrepräsentiert. U.a. gründen weit weniger Frauen ein Unternehmen als Männer. Die Gründungsforschung hat bis zu Beginn der 80er Jahre vorwiegend den männlichen, erfolgsorientierten Gründer betrachtet und Unternehmerinnen sowohl in der Wirtschaft als auch in der Wissenschaft wenig Aufmerksamkeit geschenkt. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre stiegen die Gründungen durch Frauen überproportional an. Daraufhin erschienen zahlreiche, speziell an Frauen gerichtete Ratgeber, und es wurden umfangreiche und methodisch systematische Untersuchungen, wie z.B. die Münchner Gründerstudie zu Frauen und Männern in der beruflichen Selbstständigkeit durchgeführt (Bonacker, Buschmann, & Caspari, 2002, S. 21).
Ein Überblick über die wichtigsten Forschungsansätze und empirischen Befunde zu den Geschlechterdisparitäten in der beruflichen Selbstständigkeit, zeigt, dass sich mittlerweile im Wesentlichen vier Themenbereiche mit ihren jeweiligen Fragestellungen herausgebildet haben (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 10): „Performance und Charakteristika von „Frauenbetrieben“, „Fördermaßnahmen und institutionelle Rahmen- bedingungen“, Gründerinnenpotenziale, -neigungen und -aktivitäten“ und „Determinanten von Frauenselbstständigkeit“.
Performance und Charakteristika von „Frauenbetrieben“
Ein Teil der Arbeiten befasst sich hauptsächlich mit der Performance und den Charakteristika von „Frauenbetrieben“. Diese Arbeiten gehen auf die Geschlechterunterschiede in Bezug auf Strategien, Arbeitsformen und die wirtschaftliche Orientierung Selbstständiger, sowie auf die organisationalen Merkmale und Leistungspotenziale der von ihnen geführten Betriebe ein. (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004). Ausländische Studien weisen einen langsameren aber zielstrebigeren Gründungsprozess bei Frauen nach. Demnach planen Frauen Gründungen sorgfältiger als Männer, verhalten sich deutlich vorsichtiger und sind risikobewusster (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 13).
Geschlechterunterschiede und Determinanten
Frauen arbeiten außerdem deutlich öfter als Männer ohne weitere Mitarbeiter. Sie arbeiten überdurchschnittlich häufig zuhause, und ihr Arbeitspensum ist im Vergleich zu männlichen Gründern eher gering. Dies hat zur Folge, dass selbstständige Frauen ein deutlich geringeres Einkommen als Männer erwirtschaften. Diese Geschlechterunterschiede unterstützen den weit verbreiteten Eindruck, dass Gründungen durch Frauen, weniger als bei Männern als Ausdruck unternehmerischen Engagements sondern vielmehr vor dem Hintergrund der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu sehen sind. (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 13). Offen bleibt bisher, welche Entstehungsursachen die unterschiedlichen Arbeits- und Erwerbsformen von selbstständigen Frauen und Männern tatsächlich haben. Damit bleibt ungeklärt, ob Frauen eben einfach „anders“ gründen oder ob spezifische Determinanten quasi automatisch zu anderen Arbeits- und Organisationsformen führen (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 14).
Erfolgsindikatoren von Gründerinnen und Gründern
Es mangelt außerdem an Daten und Befunden darüber, wie erfolgreich Frauen und Männer in Deutschland im Hinblick auf z.B. Beschäftigungswachstum, Umsatz oder Beständigkeit sind und ob diese Erfolgsindikatoren mit dem Geschlecht des Gründers in Zusammenhang gebracht werden können. Solche Studien liegen momentan nur auf internationaler Ebene vor. Sie weisen in der Tendenz darauf hin, dass Frauenbetriebe eher geringere Leistungspotenziale haben als die von Männern geführten Betriebe und auch das Risiko des Scheiterns größer ist (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 14). Die Erfolgsdifferenzen nivellieren sich allerdings, wenn man Betriebe mit ähnlichen Ressourcen und Unternehmer und Unternehmerinnen mit vergleichbarem Bildungsstand und Erfahrungshintergrund betrachtet (Jungbauer-Gans, 1994).
Fördermaßnahmen u. institutionelle Rahmenbedingungen
Ein anderer Teil der Arbeiten befasst sich in erster Linie mit dem wirtschaftspolitischen Umfeld. Die Gestaltung und Bedeutung von Fördermaßnahmen steht hier im Vordergrund und welche institutionellen Rahmenbedingungen Frauen den Schritt in die Selbstständigkeit erleichtern (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 11). Formelle Institutionen beeinflussen Art und Umfang von Frauenselbstständigkeit, wohingegen informelle Institutionen durch kulturelle „Leitbilder“ einen starken Einfluss auf das Gründungsverhalten, vor allem auf die Gründungsneigung, von Frauen haben (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 27).
Förderbedarfe von Frauen
In Deutschland sind insbesondere in der jüngeren Zeit Fördermaßnahmen, wie z.B. die Bereitstellung von Informationen und Netzwerken oder günstigen Krediten, für Gründer und Gründerinnen sehr umfangreich. Dies ist deshalb der Fall, da hier ein Hauptangriffspunkt zum Abbau von Arbeitslosigkeit und zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung gesehen wird (Gläser, 2002). Bisher besteht in diesem Forschungsfeld aber kein Konsens darüber, ob sich Förderbedarfe nach Geschlecht unterscheiden und ob Gründerinnen einen anderen Förderbedarf haben als Männer.
Zugang zu Fördermaßnahmen
Dass der Förderbedarf bei Gründerinnen größer ist, ist schon wegen ihrer häufig strukturell ungünstigeren Ausgangslage aber eher anzunehmen (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 27). Ob potenzielle Gründerinnen einen eingeschränkten Zugang zu Fördermaßnahmen haben und deshalb bereits im Vorfeld abgeschreckt werden, lässt sich nur sehr allgemein beantworten. Hierzu liefern vorhandene Evaluationen in der Regel keine geschlechtsspezifischen Auswertungen, welche über eine Beteiligungsquote von Frauen und Männern hinausgeht. Diese beziehen sich außerdem nur auf Gründerinnen, die bereits Fördermaßnahmen in Anspruch genommen haben (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 27).
Nutzung von Fördermaßnahmen
Fördermaßnahmen stehen allen Gründern gleichermaßen offen. Frauen wären nur dann faktisch ausgeschlossen, wenn ein staatliches Programm z.B. nur Vollzeitexistenzgründungen fördern würden, da Frauen zu einem großen Teil in Teilzeit gründen (Piorkowsky & Scholl, 2002). Negativ auswirken könnten sich außerdem die geringeren sozialen und beruflichen Netzwerke bei Frauen bzw. deren Zusammensetzung, da die Nutzung von Fördermaßnahmen auch vom Informationsstand der potenziellen Gründerin abhängig ist (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 28).
Gründerinnenpotenziale, -neigungen und -aktivitäten
Ein weiteres Forschungsfeld befasst sich in eher beschreibender Form mit dem Umfang und der Entwicklung selbstständiger Frauen. Die zentrale Frage ist, in welchem Maße sich Gründerpotenziale, -neigungen und -aktivitäten von Frauen und Männern unterscheiden. Fast alle Studien in Deutschland, aber auch internationale kommen zu dem Schluss, dass wesentlich weniger Frauen als Männer die Gründung eines Unternehmens erwägen bzw. sich dazu entschließen. Es gibt allerdings bereits seit den 80er Jahren, wie auch in den letzten zwanzig Jahren, einen gegenläufigen Trend zu beobachten (siehe Abbildung 1), so dass sogar von einem „Gründerinnenboom“ gesprochen wird (Lauxen-Ulbrich & Leicht, 2002). Allerdings ist die Zahl der Selbstständigen insgesamt von 1991 bis 2010 kontinuierlich gestiegen.
Gründerinnenboom
Deshalb darf der sogenannte „Gründerinnenboom“ auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Frauen in Deutschland nach wie vor lediglich knapp ein Drittel der Selbstständigen stellen. So bleibt die geringe Präsenz von Frauen unter den Selbstständigen ein noch zu erforschendes Phänomen (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 12). Interessant ist außerdem, dass Geschlechterunterschiede nicht erst zum Zeitpunkt der Unternehmensgründung, sondern schon in der vorgelagerten Phase auftreten. Bei Frauen ist bereits das Interesse an einer selbstständigen Tätigkeit geringer, als bei Männern (Ziegler & Hinz, 1992).
Ursachen und Gründe
Auffallend ist auch, dass Frauen sowohl im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil, als auch zu ihrem Anteil an den Erwerbstätigen bei Gründungsprojekten mit 42 % unterrepräsentiert sind. Der Frauenanteil bei den Vollerwerbsgründern liegt sogar nur bei 38 % (Hagen, Metzger, & Ullrich, 2012, S. 40). Die Ursachen bzw. Gründe dafür sind bisher nicht abschließend geklärt. Vor allem gesellschaftliche Rollenzuschreibungen an die Geschlechter aber auch die Unterschiede in der Ausstattung von Human- und Finanzkapitalressourcen werden dafür verantwortlich gemacht (Werner, Kranzusch, & Kay, 2005).
Determinanten von Frauenselbstständigkeit
Einen weiteren Aspekt betrachten Forschungsarbeiten, die sich mit den Determinanten von Frauenselbstständigkeit befassen. Solche Determinanten oder Einflussfaktoren sind z.B. individuelle bzw. persönliche Merkmale, Ressourcen, Gelegenheiten und Restriktionen im Hinblick auf die Chance zur Unternehmensgründung (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 11). Zur Erklärung des ungleichen unternehmerischen Verhaltens von Frauen und Männern werden zum einen die Rolle von Humankapital, wie Bildung und Beruf, und zum anderen die Bedeutung sozialer Unterstützung durch die Familie als wichtigste Faktorenbündel hervorgehoben (Lauxen-Ulbrich & Leicht, 2005, S. 13). Das heißt, dass sowohl die Einflussfaktoren, die im Zusammenhang mit den kognitiven „unternehmerischen“ Ressourcen stehen, als auch die, welche mit den zeitlichen Ressourcen zusammenhängen, von großer Bedeutung sind (Leicht, Lauxen-Ulbrich, & Strohmeyer, 2004, S. 4).
In jüngeren Generationen unterscheiden sich Frauen und Männer kaum noch in Bezug auf die formale Bildung. Der Unterschied liegt heutzutage vor allem in der Ausstattung mit gründungs- und erfolgsrelevanten Humanressourcen, wie z.B. Berufs-, Branchen- und Führungserfahrung (Döbler, 1998).
Gründungsneigung von Frauen
Gründungsneigung und unternehmerische Aktivitäten von Frauen werden von spezifisch anderen Ressourcen und Opportunitätsstrukturen sowie durch größere Einschränkungen in Bezug auf den Beginn und die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit bestimmt als bei Männern (Döbler, 1998). Dies bedeutet, dass Frauen, obwohl diese in der Gesellschaft formal die gleichen Chancen haben sich selbstständig zu machen, in der Realität mit sozialen Ungleichheiten umgehen müssen, welche es ihnen erschweren, vorhandene gesellschaftliche Chancen, wie z.B. die Gründung eines Unternehmens, in derselben Weise zu nutzen wie Männer (Mackert, 2010).
So stehen Gründungsneigung und -aktivitäten von Frauen im Zusammenhang mit Ihren geschlechtsspezifischen Erwerbsläufen, mit ihrer Berufs- und Branchenwahl und insbesondere mit der Segregation der Erwerbstätigen in geschlechtstypische Berufe (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 16). Aus dieser Perspektive heraus lassen sich die verschiedenen Gründungsaktivitäten von Frauen und Männern dadurch erklären, dass Frauen frauentypische Berufe wählen, welche weniger Gelegenheiten für einen Schritt in die Selbstständigkeit bieten (Lauxen-Ulbrich & Leicht, 2002).
Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Als eine weitere gewichtige Determinante beruflicher Selbstständigkeit von Frauen wird der Wunsch nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewertet (Leicht, Lauxen-Ulbrich, & Strohmeyer, 2004, S. 5). Familienbezogene Aspekte bei der Erklärung von weiblichen Gründungsaktivitäten weisen in zwei unterschiedliche Richtungen. Zum einen erklären sie die langanhaltende Unterrepräsentation von Frauen in der beruflichen Selbstständigkeit. Zum anderen eröffnet der Schritt in die Selbstständigkeit die Möglichkeit, Familien- und Erwerbsarbeit durch flexible Arbeitsgestaltung zu verbinden, und erklärt so die kontinuierlich steigenden Zahlen von Gründerinnen (Leicht, Lauxen- Ulbrich, & Strohmeyer, 2004, S. 5).
Geschlechtsspeziefische Persönlichkeitsmerkmale
Als ein weiterer Einflussfaktor werden geschlechtsspezifische Ausprägungen bestimmter Persönlichkeitsmerkmale, wie z.B. Leistungsorientierung, Handlungskontrolle, Risikoorientierung und Eigeninitiative betrachtet. Einige Studien konnten geschlechtsspezifische Ausprägungen bestimmter Persönlichkeitsmerkmale nachweisen, andere aber nicht. Ergebnisse dieser Forschungen konnten daher bislang kaum konkrete Hinweise auf Unterschiede zwischen den Geschlechtern geben (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 16).
Selbsteinschätzung
Auch die persönliche Selbsteinschätzung und die individuelle Interpretation von Signalen aus der Umwelt beeinflussen die Erkennung von Gründungsideen und damit Wege in die Selbstständigkeit. So kann der geringe Anteil von Gründerinnen durch die gesellschaftliche Grundhandlung, Frauenarbeit sei weitgehend Hausarbeit und Kindererziehung, miterklärt werden. Aufgrund dieser Haltung wird bezahlter weiblicher Erwerbstätigkeit, welches die berufliche Selbstständigkeit einschließt, implizit ein geringerer Stellenwert beigemessen, so dass viele Frauen Selbstständigkeit nicht als Möglichkeit erkennen und somit ihre Gründungsneigung geringer ist, als die von Männern (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 17).
So sind Unterschiede im Gründungsverhalten von Männern und Frauen zumindest teilweise auf unterschiedliche persönliche Zielsetzungen und Motive zurückzuführen (Leicht, Welter, & Fehrenbach, 2004, S. 17).